Ich kenne einige Steuerberaterkollegen, die kräftig investiert haben: in eine Praxisimmobilie.
Die eigene Immobilie für das eigene Unternehmen. Fühlt sich doch klasse an!
Unabhängigkeit in den eigenen Praxisräumen. Kein Vermieter kann einen auf die Straße setzen. Und teures Geld verschlingen, das man doch viel besser in den eigenen Vermögensaufbau investieren kann.
Klingt super, oder? Oder hat die Sache mit der Praxisimmobilie vielleicht auch ein paar Schattenseiten?
Die Vor- und Nachteile einer gekauften Praxisimmobilie erfahren Sie in diesem Artikel.
Risiko Vermögensklumpen
Leider tun die meisten Leute zu wenig für Ihren Vermögensaufbau.
Oft ist bei Ende der beruflichen Tätigkeit neben Versorgungswerk und Eigenheim nur der Praxiswert für die Altersvorsorge vorhanden.
Und man ist häufig darauf angewiesen, dass jemand die Praxis erwirbt. Ob dies in 20 oder 30 Jahren problemlos möglich sein wird, weiß heute kein Mensch.
Und sind Sie dann Eigentümer Ihrer Praxisimmobilie, verstärkt sich der Druck einen Nachfolger zu finden noch einmal deutlich.
Man hat also sehr viel Vermögen auf eine einzelne Karte gesetzt: den Praxisnachfolger.
Kein Nachfolger, keine Miete.
Findet man keinen Mieter, muss geprüft werden, ob und wie die Immobilie dann (teuer) zum Beispiel zu Wohnraum umgebaut werden kann.
Hat man anstatt in die Praxisimmobilie beispielsweise in Aktien investiert, ist man bei der Suche nach einem Nachfolger deutlich freier.
Vermögensaufbau
Die gekaufte Praxisimmobilie führt (meist) zu mehr Vermögen im Alter. Denn die Bank zwingt einen zum Sparen. In Form der Tilgung.
(Praxis-)immobilienbesitzer sind also meist im Alter vermögender als Praxismieter.
Doch ist das ein Naturgesetz?
[box-grau]Nein, denn die Praxisimmobilie geht oft mit einer höheren Belastung der jährlichen Liquidität einher. [/box-grau]Und wenn diese Liquidität nicht vorhanden ist, dann wird aus dem Vermögensaufbau schnell Vermögensvernichtung. Insbesondere wenn die Immobilie im Ergebnis dann aus dem Kontokorrentkonto bezahlt wird.
Die Liquiditätsberechnung
Angenommen, Sie haben bisher jedes Jahr eine Kaltmiete in Höhe von 30.000 Euro für die Praxisräume an Ihren Vermieter überwiesen.
Diese können Sie sich bei Kauf der Immobilie jetzt sparen.
Die Mietersparnis
Bezogen auf die Liquidität pro Jahr bedeutet dies zunächst ein Plus in Höhe von 30.000 Euro.
Andererseits hatten Sie den Kaufpreis für die Praxisimmobilie nicht auf der hohen Kante liegen. Vielleicht kostet unsere Beispielsimmobilie 600.000 Euro.
Dazu kamen die Erwerbsnebenkosten wie Grunderwerbsteuer, Makler, Notar, Grundbuchgebühren, etc.
Insgesamt sind am Ende vielleicht 650.000 Euro ausgegeben worden.
Die Finanzierungskosten
Die Bank verlangt für ein Darlehen in dieser Höhe einen Zins in Höhe von vielleicht 2% der Darlehenssumme.
Vergessen Sie übrigens hier den Zinssatz aus der Werbung auf der Internetseite der Bank. Dieser gilt in der Regel nur dann, wenn Sie in hohem Maße Eigenkapital einbringen und die Bank Ihnen die Immobilie quasi risikolos finanzieren kann.
Wenn die Immobilie in beispielsweise 20 Jahren entschuldet sein soll oder entschuldet sein muss, dann kämen wir auf eine Kreditrate bei einem Annuitätendarlehen in Höhe von monatlich 3.300 Euro.
Pro Jahr somit ca. 40.000 Euro.
In unserem Beispiel bliebe von der ersparten Miete jetzt schon nichts mehr übrig. Und wir sind noch nicht am Ende der Kosten …
Die Instandhaltungskosten
Hinzu kommen noch die Kosten für die Instandhaltung der Immobilie.
Bislang wurde ein Großteil dieser Kosten vom Praxisvermieter getragen. Jetzt belasten diese Kosten direkt Ihr Portemonnaie.
4.000 Euro Instandhaltungskosten empfinde ich in meinem Beispiel als nicht zu hoch gegriffen. Eher zu wenig.
Sonstige Verwaltungskosten
Bleiben noch die Kosten für Versicherungsschutz, Steuerberater, Grundbesitzerverein, etc.
Kalkulieren wir hier auch noch einmal 1.000 Euro ein.
Zwischenergebnis
Unsere Liquiditätsberechnung sieht bisher wie folgt aus:
[box-blau]Eingesparte Miete: + 30.000Finanzierungsraten: -40.000
Instandhaltung und Verwaltung: -5.000[/box-blau]
Macht ein Minus von 15.000 Euro.
Bislang.
Was fehlt? Klar, Sie ahnen es sicher bereits …
Steuern
Was verändert sich steuerlich durch Ihre Investition?
Sie haben Mieten eingespart. Dies erhöht Ihr Einkommen um 30.000 Euro.
Was dürfen wir hingegen von der Finanzierung absetzen?
Von der Kreditrate leider nur die Zinsen. Die Tilgung zahlen Sie quasi aus dem Nettoeinkommen.
Die Zinsbelastung liegt in unserem Beispiel anfangs bei etwa 13.000 Euro pro Jahr. Diese Zinsen dürfen Sie steuerlich absetzen.
Die Kosten für Instandhaltung und Immobilienverwaltung sind ebenfalls absetzbar. Somit haben wir weitere 5.000 Euro absetzbare Kosten.
War es das?
Nein, denn die Immobilie verliert durch Nutzung jedes Jahr an Wert.
Hierfür dürfen Sie eine pauschale Abschreibung auf den Immobilienwert steuerlich – wie Praxiskosten – geltend machen.
Diese Abschreibung liegt bei dem eigenen Praxisgebäude bei 3%.
Auf die kompletten Anschaffungskosten? Leider nein. Denn das Grundstück auf dem die Praxisimmobilie steht haben Sie ja – zumindest teilweise – mit erworben.
Und das Grundstück nutzt sich nicht ab. Das sieht zumindest das Finanzamt so. Somit muss der Grundstücksanteil heraus gerechnet werden.
Angenommen, der Anteil für das Gebäude selbst, läge bei 400.000 Euro. Dann ergäben sich absetzbare Kosten in Höhe von 12.000 Euro pro Jahr.
Steuerliches Ergebnis
Zusammengefasst verändert sich Ihr Einkommen also wie folgt:
[box-blau]Eingesparte Miete: +30.000Zinsen: -13.000
Verwaltungskosten: -5.000
Abschreibung: -12.000
Ergebnis Einkommensveränderung: 0[/box-blau]
Das steuerliche Ergebnis läge in unserem Beispiel also bei exakt 0 Euro.
Obwohl Sie – bezogen auf Ihre Liquidität- in jedem Jahr 15.000 Euro dazu schießen müssen, hilft Ihnen das Finanzamt bei dieser Investition nicht durch einen jährlichen Zuschuss.
Vergleich mit Alternativanlage
Wo stehen wir jetzt?
Sie sind durch den Kauf der Praxisimmobilie jedes Jahr nun um 15.000 Euro erleichtert worden.
Na prima.
Ist das also mit der Praxisimmobilie nun vollkommener Unsinn?
Nein, denn Sie bauen jedes Jahr Vermögen auf. Durch Tilgung der Praxisdarlehen.
Nach 20 Jahren hätten wir in unserem Beispiel eine entschuldete Praxisimmobilie. Diese hat dann hoffentlich immer noch einen Wert in Höhe von 600.000 Euro.
Vielleicht auch mehr, vielleicht aber auch weniger. In jedem Fall aber einen ordentlichen Vermögenswert.
Für den wir uns aber auch 20 Jahr lang haben krumm legen müssen. Mit 15.000 Euro pro Jahr.
Was wäre wohl gewesen, wenn wir diese 15.000 Euro als Alternative in einen Aktiensparplan gesteckt hätten?
Bei einer unterstellten jährlichen Rendite von 5% über 20 Jahre entstünde so ein Kapital in Höhe von 500.000 Euro.
Auch nicht schlecht.
Aber auf den ersten Blick gewinnt in meinem Beispiel immer noch die Praxisimmobilie.
Vermögensbildung auf Pump?
Doch wie sähe die Berechnung aus, wenn Sie die 15.000 Euro in jedem Jahr eigentlich gar nicht übrig gehabt hätten?
Und die 15.000 Euro – überwiegend – aus Ihrem Kontokorrentkonto bezahlt hätten?
Bei einer Verzinsung von 8 – 12%?
Dann hätten wir natürlich auch kein Geld für Aktien. Klar.
Aber dem Immobilienwert stünden dann Schulden gegenüber.
Der Vergleich ist hier nicht seriös zu berechnen. Denn die Bank hätte Ihnen sicherlich keinen Kontokorrentkredit in Höhe von 500.000 Euro und mehr eingeräumt.
Zwischendurch hätten Sie den Kredit immer wieder umfinanziert. In jedem Fall hätte der Immobilienkauf sich dann sicherlich nicht gelohnt.
Aber selbst wenn Sie sich die 15.000 Euro jedes Jahr bequem hätten leisten können, haben wir ein Problem noch gar nicht einkalkuliert …
Steuerliches Betriebsvermögen
Kaufen Sie eine Praxisimmobilie und nutzen Sie diese für Ihre eigene Praxis, dann wird diese Immobilie Teil des Vermögens Ihrer Praxis. Genau wie Ihre übrige Praxisausstattung.
Die Immobilie ist jetzt in Ihr steuerliches Anlageverzeichnis aufzunehmen und muss dort irgendwann einmal wieder raus.
Die Immobilie hat dann neben ihrem „echten“ Wert auch immer einen Buchwert.
Wir starten mit einem Wert in der ersten Steuererklärung nach Kauf der Immobilie in Höhe von 650.000 Euro. Und wir dürfen pro Jahr 12.000 Euro an Abschreibungen geltend machen.
Nach 20 Jahren betrüge der Buchwert der Immobilie somit ca. 400.000 Euro.
Spätestens mit Aufgabe Ihrer Praxistätigkeit müssen Sie den Wert der Immobilie versteuern. Abgezogen wird von diesem fiktivem Gewinn allerdings der Restbuchwert der Immobilie.
Stellen Sie Ihre Tätigkeit in der Praxis also nach 20 Jahren ein, dann müssten Sie 600.000 (angenommener „echter“ Wert) – 400.000 (Buchwert), somit 200.000 Euro versteuern.
Je nachdem, ob Sie nun steuerliche Vergünstigungen im Rahmen der Praxisveräußerung in Anspruch nehmen können, beträgt die Steuer hierauf dann ca. 40.000 – 100.000 Euro.
Im Worst Case läge in unserem Beispielsfall Ihr Vermögen nach 20 Jahren zum Zeitpunkt des Verkaufs der Praxisimmobilie bei 600.000 EUR – 100.000 EUR (Steuern) bei 500.000 Euro.
Jetzt wären wir in unseren Berechnungen mit dem Aktiensparplan wieder gleichauf.
Vermeidung von Betriebsvermögen
Es kann geschickter sein, den Ehegatten des Praxisinhabers die Praxisimmobilie kaufen zu lassen.
Dann umgehen wir das Problem der Betriebsvermögenseigenschaft und der Ehegatte dürfte diese Immobilie nach zehn Jahren – steuerfrei – verkaufen.
Dann verringert sich übrigens die Abschreibung auf 2% pro Jahr.
Aber die Praxisimmobilie in den Händen des Ehegatten ist – je nach Verlauf der Ehe – auch nicht immer so richtig klasse.
Na ja, Angst ist aber auch ein starkes Gefühl. Das kann die ein oder andere Ehekrise auch mal kitten.
Mit dem Geld aus dem Aktiensparplan brennt man eher mal durch …
Ich werde auch immer folgendes gefragt:
Lohnt sich der Kauf der Praxisimmobilie über eine GmbH?
Im Regelfall nicht. Denn eine GmbH produziert immer relativ hohe jährliche Verwaltungskosten (z.B. Für den Steuerberater).
Auch will Ihnen später selten jemand die Immobilie im Mantel der GmbH wieder abkaufen. Sie müssen die GmbH also wieder liquidieren.
Auch das kostet wieder Geld.
Der Vorteil der GmbH kann in dem niedrigen Steuersatz für solche Gewinne liegen, die in der GmbH verbleiben.
Zahlt die Praxis also eine Miete an Ihre neue Immobilien-GmbH, dann kann die Praxis die Miete absetzen. Zum Spitzensteuersatz hoffentlich.
Die Steuerentlastung betrüge dann also ca. 45% auf die Miete. Die GmbH versteuert allerdings Ihre Gewinne nur mit ca. 30%.
Aber nur wenn die Mieteinnahmen in der GmbH liegen bleiben und nicht an Sie ausgeschüttet werden. Nutzen kann man die geparkten Mieten dann, um sich in der GmbH schneller zu entschulden.
In der Liquiditätsberechnung sieht somit das Ergebnis manchmal im GmbH-Kleid etwas angenehmer aus.
Wenn man sich die Praxisimmobilie ansonsten nicht leisten kann oder ansonsten nicht leisten möchte, könnte die GmbH eine Option sein.
Meist entscheiden sich unsere Mandanten aber nach unseren Berechnungen gegen die GmbH.
Die Praxisimmobilie – Das Fazit
Ob die eigene Praxisimmobilie sich lohnt, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Meist muss man aus dem eigenen Portemonnaie jedes Jahr zugunsten des Vermögensaufbaus etwas zuschießen.
Je nach Konstellation kann eine alternative Kapitalanlage zu mehr Vermögen führen.
Auch an die Zusammenballung der Risiken muss man denken, und unter Umständen an seine Ehe …
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