Was ist meine Praxis wert?

Einmal im Jahr sollte man sich als Unternehmer einen Überblick über sein Vermögen verschaffen. Aus eigenem Antrieb.

Aber auch die Bank will einmal im Jahr von Ihnen wissen, wie es denn um Ihr Vermögen bestellt ist (zumindest wenn Sie dort Schulden haben).

Über seine Kontoguthaben und Schulden hat man sich Dank des Onlinebankings ja schnell einen Überblick verschafft.

Bei der selbst genutzten Immobilie wird es schon schwieriger, einen aussagekräftigen Wert zu bestimmen.

Und bei der Evaluation des eigenen Betriebes steigt man dann regelmäßig aus: Was ist meine Praxis eigentlich wert?

Antworten auf diese Frage erhalten Sie in diesem Artikel.

Praxiswert und Organisation der Nachfolge

Spätestens dann, wenn Sie Ihre Praxis verkaufen wollen, stellt sich die Frage nach deren Wert.

Was wäre ein fairer Preis, den ein Käufer Ihnen zahlen müsste, damit Sie Ihren Arzt-/Zahnarztkittel an den Nagel hängen?

Dazu muss man wissen, dass 1993 knapp 9 Prozent der niedergelassenen Ärzte 60 Jahre und älter waren, inzwischen sind es rund 26 Prozent.

Das bedeutet, dass das „Angebot“ an Praxen tendenziell steigt. Was wiederum die Verhandlungsposition der Käuferseite stärkt.

Es ist heute nicht unbedingt Erfolg versprechend, bis zum 65. Geburtstag zu warten und dann davon auszugehen, dass vor der Praxistür eine Schlange von Kaufinteressenten steht, die alle nur darauf warten, die Praxis zum gewünschten Preis zu übernehmen.

Eine strategisch ausgerichtete, langfristige Nachfolgeplanung ist also angesagt.

Langfristig bedeutet: Spätestens ab dem 55. Lebensjahr sollte man langsam über die zu stellenden Weichen nachdenken.

Bevor man sich „so richtig“ in den Ruhestand verabschieden kann, ist also zunächst einmal Arbeit angesagt.

Folgende Fragen stehen (beispielsweise) an …

Lebensfragen

Zunächst sollte man sich Gedanken darüber machen, wie die eigene Zukunft aussehen soll:

  • In welchem Alter will ich aufhören?
  • Will ich „ganz“ aufhören oder noch ein wenig weiterarbeiten, z.B. als Angestellter in der Praxis meines Nachfolgers?
  • Wer könnte die Praxis übernehmen? Gibt es vielleicht Nachfolger aus der Familie?

Insbesondere bei der Frage, wann Sie aufhören wollen, rate ich Ihnen eines:

Den Ehegatten in die Entscheidung einbeziehen

Klären Sie mit Ihrem Ehegatten einmal ab, wie dieser sich denn das weitere Zusammenleben nach Ihrem Eintritt in den Ruhestand vorstellt.

Nicht selten bekommt der Ex-Unternehmer/Ex-Chef zu Hause erst einmal den Besen in die Hand gedrückt.

Welcome back!

Auch muss geklärt werden, wie die Privatplanung mit der finanziellen Situation zusammen passt.

Die Finanzen auf den Prüfstand stellen

  • Welche Praxisschulden bestehen zum geplanten Verkaufszeitpunkt?
  • Welche Privatschulden bestehen dann?
  • Reicht die Rente aus dem Versorgungswerk neben den anderen Vermögenswerten für den Lebensunterhalt?
  • Welche Mittel benötigt man überhaupt für die Finanzierung des „Rentnerdaseins“?
  • Welche steuerlichen Konsequenzen hat die Praxisveräußerung?
  • Welcher Zeitpunkt ist aus steuerlicher Sicht optimal für die Praxisveräußerung?

Für die Beantwortung dieser Fragen benötigen Sie auch eine Bewertung Ihrer Praxis.

Ansichten von Käufer und Verkäufer zum Praxiswert

Bei der Ermittlung des Praxiswertes gehen die Ansichten über die Höhe bei Verkäufer und Käufer naturgemäß auseinander.

Der Verkäufer einer Praxis möchte verständlicherweise einen möglichst hohen Preis erzielen.

Folgende Aussagen höre ich von Praxisabgebern immer wieder:

  • „Der Übernehmer setzt sich doch hier ins gemachte Nest!“
  • „Man kann mit meiner Praxis sofort los legen und Geld verdienen!“
  • „Wenn der Kollege genau so in die Hände spuckt wie ich, dann hat der ausgesorgt!“
  • „Der Käufer hat es doch viel einfacher als ich damals!“
  • „Der Kaufpreis ist doch fast geschenkt.“

Ja, ja, wir hatten damals ja nichts. Ist klar …

Der potentielle Übernehmer Ihrer Praxis hört sich wiederum – fast immer – ganz anders an:

  • „Da steht ja nur altes Zeugs! Was ich da investieren muss!“
  • „Die arbeiten ja noch auf Karteikarten!“
  • „Das Personal ist ja auch nicht das pfiffigste.“
  • „Die Preisvorstellung ist aber extrem sportlich. Bleibt mir da noch was übrig?“

Um einen Kompromiss zwischen beiden Parteien zu erreichen, besteht häufig der Wunsch, einen „objektiven“ Wert des Unternehmens zu ermitteln.

Einen Wert, der für jedermann zutreffend ist und der weder die individuellen Vorstellungen des Verkäufers noch die des Käufers berücksichtigt.

Die Praxis soll also von Dritter Seite bewertet werden.

Weitere Gründe für eine Praxiswertermittlung

Mit der Bewertung eines Unternehmens beschäftigen wir uns als Steuerberater auch aus anderen Gründen, z.B. im Zusammenhang mit …

  • dem Eintritt oder Austritt von Gesellschaftern
  • einer Erbauseinandersetzung (Stichwort Pflichtteilsansprüche)
  • einer Scheidung (Stichwort Zugewinnausgleich) oder
  • dem Zusammenschluss von Praxen

Aber was ist denn nun der „richtige“ Unternehmenswert?

Viele Lehrmeinungen zum Praxiswert

Seit eh und je streiten die Gelehrten, auf welche Weise der Praxiswert errechnet wird. Alle paar Jahre wird ein neues „Werkzeug“ erfunden, welches dann wirklich der einzig gültige Maßstab sein soll.

Im Laufe der Zeit wurden sehr unterschiedliche Methoden entwickelt, wobei nach wie vor immer noch der Satz des Bundesgerichtshofes gilt, dass es keine einhellig gebilligte Bewertungsmethode gibt und dass eine solche rechtlich auch nicht vorgeschrieben ist.

Für die Bewertung von Arztpraxen hat die Bundesärztekammer seit den siebziger Jahren Empfehlungen abgegeben (sog. Bundesärztekammer-Methode/n).

Diese sind aber nie in zwingend anzuwendende Richtlinien umgesetzt worden. Auch werden diese Methoden in Fachkreisen – zu Recht – als viel zu pauschal abgetan.

Einig ist man sich – überwiegend – jedenfalls darüber, dass sich der Gesamtwert eine Praxis aus einem Substanzwert und einem Ertragswert zusammensetzt.

Der Substanzwert entspricht dem Wert aller Gegenständen in der Praxis, unter dem Aspekt der Unternehmensfortführung.

Das heißt, dass ein notwendiges Gerät, welches bei ebay möglicherweise nicht mal 1 Euro erzielen würde, für das Unternehmen einen höheren Wert darstellen kann, wenn es funktionsfähig ist und auch noch eine mittelfristige Lebensdauer hat.

Aber wie bestimmt man denn nun den Sachwert bzw. Substanzwert möglichst genau? Ebay scheint jedenfalls hier nicht der richtige Weg zu sein.

Profis für die Ermittlung des Substanzwertes beauftragen

Hier sollte man sich Hilfe eines Profis holen.Bei Zahnarztpraxen bewerten beispielsweise die Dentaldepots die Sachwerte der Praxis.

Als Anhaltspunkt für den Sachwert verwenden wir hin und wieder folgendes Raster:

Investitionen in Prozent der Kaufpreise …

  • Vor mehr als 10 Jahren – 10%
  • In den letzten 6 bis 10 Jahren – 35%
  • In den letzten 2 bis 5 Jahren – 50%
  • Innerhalb der letzten 12 Monate – 100%

Auf den Gesamtwert eines Unternehmens hat der Sachwert jedoch im Normalfall nur einen geringen Einfluss. Meist sind die letzten Investitionen lange her und haben nur noch einen geringen Wert.

Der immaterielle Wert ist meist die entscheidende Größe

Die Musik spielt im immateriellen Wert, der aus den möglichen Gewinnen oder Umsätzen abgeleitet wird.

Hier fangen die Schwierigkeiten an. Wie soll man diesen Wert ermitteln?

Häufig wird ein immaterieller Wert anhand von Faustformeln ermittelt. Das ist zwar nie präzise, aber zumindest schnell.

Umsatzmultiplikatoren

Nach wie vor beliebt sind hierbei die so genannten Umsatzmultiplikator-Verfahren. Der Unternehmenswert wird hier durch die Anwendung eines branchenabhängigen Multiplikators auf den durchschnittlichen Umsatz ermittelt.

Der Multiplikator mit dem ein möglicher Jahresumsatz multipliziert wird, beträgt beispielsweise bei …

  • einem Restaurant 0,12 bis 0,35
  • einer Zahnarztpraxis 0,2 bis 0,5
  • einer Praxis eines praktischen Arztes 0,24 bis 0,56

Das hieße, eine Zahnarztpraxis mit einem Umsatz von 400.000 Euro hätte einen immateriellen Wert zwischen 80.000 Euro und 200.000 Euro.

Das Verfahren hat den Vorteil der Schlichtheit. Es berücksichtigt aber zu wenige Besonderheiten des Unternehmens.

Das aus meiner Sicht größte Problem des Verfahrens: Was interessiert mich der Umsatz eines Unternehmens?

Ich will wissen, welchen Gewinn ich mit dem „Laden“ mache!

Von daher freunde ich mich schon eher mit dem Gedanken an, dass der Gewinn die Basis für einen immateriellen Wert sein müsste.

Gewinnmultiplikatorverfahren

Hier wird der Unternehmenswert durch die Anwendung eines branchenabhängigen Multiplikators auf den durchschnittlichen Gewinn ermittelt.

Der Multiplikator beträgt hier beispielsweise bei …

  • einem Restaurant 3,75 bis 7,5
  • einem Optiker 4,75 bis 7,25
  • einer Apotheke 4,00 bis 7,50
  • einer Arztpraxis 0,5 bis 1,0

Das hieße, eine Arztpraxis mit einem Gewinn von 200.000 Euro hätte einen Wert zwischen 100.000 Euro und 200.000 Euro.

Machen Sie die 200.000 Euro Gewinn aber in ihrer Pizzeria; dann winken beim Verkauf vielleicht 1.000.000 Euro.

Gerecht?

Na ja, es dürfte jedenfalls deutlich schwieriger sein, als Pizzabäcker ein „200.000 Euro – Gewinn-Restaurant“ aufzubauen als für den Arzt in seiner Praxis Gewinne von 200.000 EUR einzufahren.

Von daher zahlt man auch für dieses „schwieriger“. Aber auch dieses Verfahren erscheint einfach aber zu „grob“.

Zumal gerade bei Arztpraxen – je nach Fachrichtung und Lage – bei gleichen Gewinnen höchst unterschiedliche Preise gezahlt werden.

Substanzwertverfahren

Bei diesem Verfahren wird ausschließlich darauf abgestellt, welcher Betrag aufgewendet werden müsste, um einen gleichartigen Betrieb zu errichten.

So wäre es natürlich am einfachsten.

Aber auf die Einrichtung eines Betriebes kommt es nur in den wenigsten Unternehmen an, schon gar nicht im Dienstleistungsbereich.

Ertragswertverfahren

Bei dem Ertragswertverfahren ermittelt man zunächst den voraussichtlich in den nächsten Jahren nachhaltig zu erwartenden Gewinn.

Dieser wird um einen kalkulierten Unternehmerlohn gemindert. Also um einen Betrag, den man für einen gedachten Geschäftsführer, einen Vertreter o.ä. entsprechend der Marktlage bezahlen müsste.

Der sich so errechnende Restgewinn wird gemindert um die Einkommensteuer.

So ergibt sich ein theoretischer Nettoüberschuss aus der Praxistätigkeit.

Den sich so errechnenden Betrag kann man als eine Art „Rente“ betrachten.

Für eine Rente kann man wiederum einen „Barwert“ ermitteln.

Das ist der Betrag, den man auf ein Konto legen müsste, um bei einem Zinssatz von x% eine Anzahl von Jahren einen entsprechenden Betrag entnehmen zu können.

Dieses Verfahren ist allgemein anerkannt, birgt aber einige Probleme: Wie sicher kann man die zukünftigen nachhaltigen Gewinne schätzen? Wie lange ist diese theoretische „Rente“ sicher?

Planzahlen erforderlich

Bei der Schätzung der zukünftigen Erträge kann man nur ausgehen von den vergangenen Jahren und aus diesen Erfahrungen Planzahlen erstellen.

Oft möchte der Käufer alle Risiken berücksichtigen, die man auch nur erahnen kann.

Für welchen Zeitraum soll der Erwerber den Gewinn bezahlen?

Der Erwerber eines Unternehmens wird dem Verkäufer keine „ewige“ Rente bezahlen, sondern nur für einige Jahre. Denn nach einem bestimmten Zeitraum ist der Praxiswert auf ihn übergegangen und der Praxiswert für den vorherigen Inhaber hat sich verflüchtigt.

Aber wie viele Jahre sind „gerecht“?

In der Praxis gehen die vereidigten Sachverständigen meist von Zeiträumen von 2-5 Jahren für Arzt- und Zahnarztpraxen aus.

Welchen Zinssatz wendet man bei der Kapitalisierung an?

Bei der Anlage eines Geldbetrages bei der Bank war man vor Jahren noch Zinssätze von um die 5 Prozent gewöhnt.

Heute ist es bekanntermaßen erheblich weniger.

Aber selbst mit einem Zinssatz von 5 Prozent wird sich der Käufer eines Unternehmens mit unternehmerischen Risiken vielleicht nicht zufrieden geben.

Er wird vielleicht sogar eine Rendite von 10, 20 oder mehr Prozent auf sein eingesetztes Kapital erwarten.

Große Bandbreite an möglichen Werten beim Ertragswertverfahren

Um nur beispielhaft darzustellen, zu welchen unterschiedlichen Wertvorstellungen man anhand dieser „objektiven“ Bewertungsmethode gelangt …

Der Veräußerer meint:

  • nachhaltig erzielbarer Gewinn (nach Unternehmerlohn für den Praxisinhaber): 100.000 Euro
  • Zeitraum der sicheren „Rentenzahlung“: 6 Jahre
  • Angemessene Rendite für das eingesetzte Kapital 6 Prozent

Der Erwerber meint:

  • nachhaltig erzielbarer Gewinn (nach Unternehmerlohn): 70.000 Euro
  • Zeitraum der sicheren „Rentenzahlung“: 3 Jahre
  • Angemessene Rendite für das eingesetzte Kapital 10 Prozent (vor Steuern)

Der „objektive“ Wert etwa beim Abgeber liegt nun bei 525.000 Euro, während der „objektive“ Wert des Übernehmers etwa bei 120.000 Euro liegt.

Das heißt, die „objektiven“ Werte liegen soweit auseinander, dass schließlich wieder ein Kompromiss gefunden werden muss, der irgendwo zwischen den Vorstellungen liegt.

Andere Bewertungsverfahren

Dies sind keinesfalls alle Bewertungsverfahren. Nicht erläutert haben wir zum Beispiel …

  • das Stuttgarter Verfahren,
  • das Mittelwertverfahren,
  • die Methode der Übergewinnkapitalisierung,
  • die Methode der verkürzten Goodwillrentendauer,
  • die Equity-methode,
  • die Entity-methode,
  • das vereinfachte Ertragswertverfahren der Finanzverwaltung.

Die Vielzahl von Verfahren, die im Laufe der Zeit neu und weiter entwickelt wurden, weisen nur auf eines hin: Es ist offenbar nicht so einfach, ein Unternehmen zu bewerten, zumal jedes Unternehmen „anders“ ist.

Die entscheidende Frage

Letztlich geht es dem Käufer eines Unternehmens um die Beantwortung der Frage:

[box-gelb]Welchen Kaufpreis kann ich aus dem Gewinn eines Unternehmens nach Berücksichtigung seines „Gehaltes“ in einem überschaubaren Zeitraum verzinsen und tilgen?[/box-gelb]

Ein Beispiel

Sehen wir uns einmal an, zu welch verschiedenen Ergebnissen man bei einer Praxisbewertung kommen kann.

Wir behaupten damit keineswegs, dass die angewendeten Methoden die echten und wahren Methoden sind, aber wir glauben, dass alle Methoden zumindest einen Rahmen aufzeigen können.

Wir bewerten beispielhaft eine Arztpraxis. Die Praxis hat in den letzten Jahren bei einem gleich bleibenden Umsatz von jeweils 400.000 Euro und einen Gewinn von jährlich 150.000 Euro erwirtschaftet.

Bundesärztekammer-Methode (alt)

Nach wie vor bekannt ist die sog. (alte) Bundesärztekammer-Methode (letztmalig veröffentlicht im Jahr 1987), auch eine Mischmethode verschiedener Bewertungsmethoden.

Ausgangsüberlegung ist, dass es einen ideellen und einen materiellen Praxiswert gibt.

Der ideelle Praxiswert wird ermittelt als Mittel der Umsätze der letzten 3 Jahre.

Das sind durchschnittlich 400.000 Euro. Hiervon wird abgezogen der „Unternehmerlohn“ in Höhe der Vergütung für einen Oberarzt in der Vergütungsgruppe BAT Ib, rund 90.000 Euro.

Damit verbleibt ein Ertrag von 310.000 Euro. Hiervon soll 1/3 als ideeller Praxiswert gelten, das sind 103.333 Euro.

Je nach Wert beeinflussenden Faktoren (Lage, Vernetzung mit anderen Praxen, Personalqualifikation, Patientenzusammensetzung etc.) kann der Wert nach unten bis zu ¼ = 77.500 Euro oder nach oben bis zu ½ = 155.000 Euro) abweichen.

Den Sachwert könnte man wie folgt errechnen:

Der Praxisinhaber hat eine Praxisausstattung mit historischen Kaufpreisen von 250.000 Euro. Die Gegenstände sind voll abgeschrieben.

Soweit die Einrichtung noch voll funktionsfähig ist, wird man sagen können, dass sie noch einen Wert von 10 Prozent bis 20 Prozent der ursprünglichen Anschaffungskosten haben, das wären 25.000 Euro bis 50.000 Euro.

Damit gelangt man allein bei diesem Bewertungsverfahren zu einem Gesamtwert von mindestens 102.500 Euro bis maximal 205.000 Euro, eine gewaltige Spanne.

Wir gehen hier als Kompromiss von den Mittelwerten aus, also von einem Sachwert in Höhevon 37.500 Euro und einem ideellen Wert in Höhe von 116.250 Euro.

Der Wert der Praxis beträgt nach diesem Verfahren also 153.750 Euro.

Bundesärztekammer-Methode (neu, Dt. Ärzteblatt vom 22.12.2008)

Bei diesem Bewertungsverfahren wird nicht der durchschnittliche Umsatz zugrunde gelegt, sondern der durchschnittliche Gewinn der vergangenen drei Jahre. In unserem Beispiel sind dies 150.000 Euro.

Auch hier wird das „Vertretergehalt“ in Höhe der Oberarztvergütung von z.B. 90.000 Euro abgezogen.

Der verbleibende Gewinn von 60.000 Euro wird mit 2 multipliziert, das ergibt im Ergebnis den ideellen Wert der Praxis von 120.000 Euro.

Hinzugerechnet wird auch hier der Sachwert, wie oben der Mittelwert von 37.500 Euro. Es errechnet sich mit diesem Verfahren ein Gesamtwert von 157.500 Euro.

Umsatz- und Gewinnmethode

Aus den Umsätzen/Ergebnissen ermittelt man hier den durchschnittlichen (ggf. gewichteten) Umsatz/Gewinn.

In unserem Beispiel beträgt der Durchschnittsumsatz 400.000 Euro, der Durchschnittsgewinn 150.000 Euro.

Für die Ermittlung des ideellen Praxiswertes wird nunmehr die Summe aus 40 Prozent (Mittelwert zwischen Mindestsatz von 24 Prozent und Höchstsatz von 56 Prozent) des durchschnittlichen Umsatzes (= 160.000 Euro) und z.B. 90 Prozent des durchschnittlichen Gewinns (= 135.000 Euro) gebildet.

Das sind 295.000 Euro.

Warum 40 Prozent und nicht 29 oder 39 Prozent?

Wir wissen es nicht. Alles Kompromisse, die aber reichlich „konstruiert“ erscheinen.

Bei einer Zahnarztpraxis geht man aus von einem Mittelsatz zwischen 20 und 50 Prozent aus.

Jedenfalls wird aus den beiden Durchschnittszahlen wiederum der Schnitt gebildet (= 147.500 Euro). Das soll nun der ideelle Praxiswert sein.

Zuzüglich Inventarwert von 37.500 Euro errechnet man hier den Gesamtwert mit 185.000 Euro.

Ertragswertverfahren

Schließlich die Bewertung nach dem Ertragswertverfahren, welches wir zu Beginn beispielhaft erläutert haben.

In unserer Beispielpraxis gehen wir wieder von einem aktuellen Jahresumsatz in Höhe von 400.000 Euro aus.

Wir erwarten für die nächsten drei Jahre einen jährlichen Zuwachs von 2 Prozent. Ab dem vierten Folgejahr unterstellen wir keine Erhöhungen.

Die gleiche prozentuale Entwicklung unterstellen wir bei den Kosten.

Nach Abzug des kalkulierten Vertretergehalts, der Beiträge zur Altersversorgung und der geschätzten jährlichen Investitionen errechnen wir den jährlichen Überschuss, den wir nunmehr noch um die kalkulierte Einkommensteuer vermindern.

Die sich so errechnenden Überschüsse zinsen wir auf den heutigen Tag ab

Das heißt, wir errechnen, welchen Betrag müsste ich heute verzinslich anlegen, um am Ende des Jahres den Überschuss zu erzielen.

Wie hoch soll der Zins sein? Auf dem Sparbuch erzielt man nichts, als Unternehmer will
man mit seiner Investition ja einen höheren Ertrag verdienen.

Wir gehen hier beispielhaft von einem Zinssatz von 10 Prozent (vor Steuern) aus. Gutachter setzen hier derzeit deutlich niedrigere Zinssätze an.

Als Ergebnis errechnen wir den Nettoüberschuss aus der Praxis mit 16.900 Euro im ersten, 17.680 Euro im zweiten, 18.476 Euro im dritten und 19.287 Euro ab dem vierten Jahr.

Wie viele Jahre soll der Erwerber dem Verkäufer bezahlen?

Bei einer freiberuflichen Praxis wird man weniger Jahre in die Bewertung einbeziehen als z.B. bei einer Autowerkstatt. Die Freiberuflerpraxis „lebt“ vom Praxisinhaber, der Wert des Vorgängers „verflüchtigt“ sich schneller als in einem Gewerbebetrieb.

Wir gehen bei unseren Bewertungen nun einmal von einem Zeitraum von 4 Jahren aus. Damit hat die Praxis inklusive eines Sachwertes in Höhe von 37.500 Euro einen Wert von 99.161 Euro.

Hier zeigt sich, welche „Spielräume“ sich bei der Bewertung ergeben.

Wenn wir nicht vier, sondern 6 Jahre Gewinn bewerten, liegt der Praxiswert bei ca. 120.000 Euro.

Genauso führt die Variation der Zinssätze zu erheblichen Wertveränderungen.

Ergebnisvergleich

Vergleichen wir die verschiedenen Bewertungsverfahren …

Wir sind in den dargestellten Bewertungen zu folgenden Ergebnissen gekommen:

  • Ärztekammerverfahren (alt) 153.750 Euro
  • Ärztekammerverfahren (neu) 157.500 Euro
  • Umsatz- und Gewinnmethode 185.000 Euro
  • Ertragswertverfahren 99.161 Euro

Und jetzt?

Bei der Anwendung der verschiedenen Verfahren wurden in jedem Einzelfall Schätzungen, Erwartungen, Hoffnungen, Risiken eingearbeitet, die fraglich erscheinen lassen, inwieweit die ermittelten Werte tatsächlich „wahr“ sind.

Die Praktikerlösung

So muss es doch in der Realität sein:

Der Käufer muss in der Lage sein, den Preis für das gekaufte Unternehmen in dem Zeitraum, in welchem er noch von dem vorangegangenen Unternehmer „zehrt“ und der mit einiger Sicherheit bezüglich Umsatz und Kosten überschaubar erscheint, bezahlen zu können.

Wenn also die vorhin angeführte Arztpraxis bei einem Umsatz von 400.000 Euro einen Gewinn von 150.000 Euro macht und der angemessene Unternehmerlohn bei 90.000 Euro liegt, so beträgt der Gewinn für den man zu zahlen bereit ist, 60.000 Euro.

Es ist verständlich, dass der Zeitraum, für den man den Gewinn als „sicher“ bezeichnen kann, von der Art des Unternehmens abhängt.

So wird man bei einer Arztpraxis zu berücksichtigen haben, dass beispielsweise die Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen kürzeren Zeitraum sprechen.

Auch ist zu bedenken, dass sich der Patientenstamm, den man mit erworben hat, durch das Ausscheiden des vorherigen Praxisinhabers „verflüchtigt“.

So kommt man unter Berücksichtigung verschiedener Fakten vielleicht auf einen Zeitraum von „sicheren“ 4 Jahren.

Mit 60.000 Euro könnte man bei einer 3%-igen Verzinsung in vier Jahren einen Betrag von rund 220.000 Euro verzinsen und tilgen.

Selbst bei einer Verzinsung von 6 Prozent wäre ein Kaufpreis von 210.000 Euro zu finanzieren.

Diese Beträge liegen über allen weiter oben ermittelten Werten, erscheinen (zumindest mir) aber realistisch.

Das Gutachten ist hilfreich, aber selten die Lösung

Auch bei der Beauftragung von Sachverständigen zur Ermittlung eines Praxiswertes gilt, dass jeder Gutachter zu einem anderen Wert kommen wird.

Wenn sich die Verhandlungspartner darauf verständigt haben, dass der Praxiswert per Gutachten entschieden wird und man sich auf einen Gutachter geeinigt hat, ist das natürlich ein einfacher Weg.

Aber risikoreich, wenn man das Ergebnis noch nicht kennt.

Die Erstellung von Praxiswertgutachten hat aus meiner Sicht aber einen Sinn:

„Abklopfen“ des zu kaufenden oder zu verkaufenden Unternehmens nach allen möglichen Risiken und Chancen, um auf dieser Grundlage zu dem „eigenen“ subjektiven Preis zu gelangen.

Wenn Sie wissen wollen, welchen Wert wir für Ihre Praxis als angemessen ansehen, sprechen Sie uns an!

Gerne unterhalten wir uns mit Ihnen darüber, in welcher Bandbreite wir den Wert Ihrer Praxis sehen.

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  • Kornelius Heck Mrz 6, 2019 @ 12:06

    Super geschrieben, Herr Hellmann! Obwohl ich ja gerade voll im Thema hinsichtlich Praxisbewertung sein sollte, hab ich erst jetzt, nach Durchlesen Ihres Artikels, die ganze Angelegenheit verstanden!
    Vielen Dank! Bis heute Abend beim Mandantenstammtisch! Ich freue mich schon! LG

    • Jens Hellmann Mrz 6, 2019 @ 16:28

      Lieber Herr Dr. Heck, vielen Dank! Bis heute Abend auf ein oder zwei Altbier!

  • Dr. H. Berens Mrz 6, 2019 @ 17:03

    Hallo Berater!

    Da wird einem ja ganz schön schwindelig, werde ich aber mal durchrechnen, es gibt noch viele Optionen.

    Aber erstmal treffen wir uns heute Abend im Uerigen. Danke ans ganze Team

    Grüße aus Kleve Dr. H. Berens

    • Jens Hellmann Mrz 6, 2019 @ 17:09

      Wir helfen gerne beim Rechnen und freuen uns auf unser Treffen im Uerige!