Wie funktioniert die Kirchensteuer?

Die Zahl der Kirchenaustritte verläuft anscheinend exponentiell.

So titelte der Spiegel im Dezember 2022: „Immer mehr Deutsche verlassen die Kirchen“

Es geht jedenfalls rasend schnell voran mit den Austritten.

Eine sehr geschätzte Mandantin sagte zu mir im letzten Jahr:

„Das Problem an den Kirchenaustritten ist, dass es keine Kirche mehr gibt, wenn der Letzte ausgetreten ist.“

Da ist natürlich was dran. Noch ist es allerdings nicht so weit.

Was bei der Kirchensteuer alles zu beachten ist und warum Sie auch Kirchensteuer zahlen, wenn Sie aus der christlichen Kirche ausgetreten sind, erfahren Sie in diesem Artikel.

Wie finanzieren sich die Kirchen in Deutschland?

Die katholischen und evangelischen Kirchen finanzieren sich einerseits aus eigenem Vermögen.

Der Journalist Carsten Frerk schätzte das Vermögen beider großen Konfessionen in Deutschland einmal auf über 435 Milliarden Euro.

So genau weiß das niemand.

Letztlich ist es eine Frage der Definition, was alles zum Kirchenvermögen gehört.

Wie sieht es mit den zahlreichen Stiftungen, dem Sondervermögen, dem Vermögen der Gemeinden etc. aus?

Jedenfalls wirft das Vermögen der Kirchen einiges ab

Ansonsten kommen die Einnahmen von den Kirchenmitgliedern. In Form von Kirchensteuern, Spenden und Erbschaften.

So hat meine „Tante Hilde“, die „böse“ Stiefmutter der Hellmanns, das Vermögen meines verstorbenen Großvaters ausschließlich der Kirche vererbt.

Danke Hilde.

Auch der Staat beteiligt sich an der Kirchenfinanzierung durch so genannte Staatsleistungen.

Wie hoch ist die Kirchensteuer?

Die Kirchensteuer für Mitglieder beider Konfessionen bemisst sich nach einem Prozentsatz der eigenen Einkommensteuer.

Sie beträgt in den meisten Bundesländern 9 Prozent der Einkommensteuer.

Nur in Bayern und Baden-Württemberg ist es etwas weniger. Hier zahlt man 8 Prozent.

Die Steuerprogression in der Einkommensteuer hat somit unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der Kirchensteuer

Je nach Kirchensteuerordnung kann die Höhe der Steuer aber auf einen Prozentsatz des Einkommens „gekappt“ werden (je nach Kirche zwischen 2,75 und 4 Prozent).

Ob eine Kappung bei Ihnen zum Tragen kommt, prüfen wir für unsere Mandanten. Sie müssen sich um nichts kümmern.

Angebliche Verhandlungen mit der Kirche über einen absoluten Höchstbetrag sind Stammtischgeschwätz.

Die Kirchensteuer ist als Spende abzugsfähig

Die Zahlungen an die Kirchen dürfen als Spenden in der Einkommensteuererklärung berücksichtigt werden.

Man erhält also – je nach Steuerprogression – einen nennenswerten Anteil der Kirchensteuer wieder zurückerstattet.

Was im Ergebnis bedeutet, dass der Staat insoweit auf Steuereinnahmen verzichtet und dies anderswo kompensieren muss.

Gleiches gilt natürlich auch für alle anderen Spenden an gemeinnützige Einrichtungen.

Wie tritt man aus der Kirche aus?

Will man sich die Kirchensteuer zukünftig sparen, muss man einen Termin bei seinem Amtsgericht vereinbaren.

Nach Bezahlung einer Bearbeitungsgebühr von 30 EUR und Vorlage eines Personalausweises verlässt man das Gerichtsgebäude ohne göttlichen Beistand.

Nicht wenige Steuerzahler werden beim Verlassen des Gebäudes ängstlich den Blick gen Himmel gerichtet haben.

Alternativ kann man sich seines Glaubens auch beim Notar entledigen.

Hier gibt es dann vielleicht noch einen Kaffee dazu. Kostet aber auch mehr.

Mit 85 Euro sind sie dabei.

Wie trete ich wieder in die Kirche ein?

Wenn man den Austritt irgendwann bereut, gibt es auch wieder einen Weg zurück.

Dieser führt aber diesmal nicht über das Gericht, sondern über die örtliche Gemeinde. Hierzu muss ein Termin gemacht und Taufschein sowie die Austrittserklärung eingepackt werden.

Es folgt dann ein Gespräch mit dem Seelsorger.

Danach dürfen Sie hoffentlich wieder dabei sein …

Welche steuerlichen Folgen hat der Austritt oder Eintritt im laufenden Jahr?

Die Kirchensteuer wird im Jahr des Ein- oder Austritts „gezwölftelt“.

Es werden also nicht zwei Einkommensberechnungen durchgeführt und ein Einkommen ohne und ein Einkommen mit Glaubenszugehörigkeit aufgestellt.

Ist man beispielsweise für zwei Monate im Jahr 2023 in NRW Kirchenmitglied gewesen, beträgt die Kirchensteuer demnach:

Einkommensteuer x 9% x 2/12

Sollte man also ein besonders hohes Einkommen im Januar erwarten und tritt im Februar wieder in die Kirche ein, zahlt man dennoch die Kirchensteuer auf das Januareinkommen in Höhe von 11/12.

Konfessionsverschiedene Ehen

Nehmen wir an, dass wir in einer Ehe einen Topverdiener ohne Konfession und einen Ehegatten ohne eigene Einkünfte mit katholischer oder evangelischer Konfession haben.

Zahlt man dann Kirchensteuer?

Ja, möglicherweise. Und zwar das „besondere Kirchgeld“.

Ob und wieviel gezahlt wird, hängt von Bundesland und Konfession ab.

Maximal sind es 3.600 EUR, wenn das gemeinsame Einkommen der Eheleute über 300.000 EUR liegt.

Deutlich weniger also als die „richtige“ Kirchensteuer.

Das Kirchgeld vermeiden

Verhindern kann man das besondere Kirchgeld in manchen Bundesländern wiederum durch Beitritt in eine „Weltanschauungsgemeinschaft“.

Die Vollmitgliedschaft des konfessionslosen Ehegatten schützt hier vor der Erhebung des Kirchgeldes.

In Bayern zählt beispielsweise der „Bund für Geistesfreiheit“ als eine solche Weltanschauungsgemeinschaft.

Natürlich sollte man hier einmal die Mitgliedsbeiträge prüfen.

Erlass von Kirchensteuern

Nehmen wir an, dass Sie Ihre Praxis in 2023 veräußern möchten. Oder Sie bekommen in 2023 eine hohe Abfindung.

Dieses Einkommen unterliegt zunächst auch der Kirchensteuer.

Allerdings kann man bei seinem Bistum einen Antrag auf Erlass der Kirchensteuer für ein solches außerordentliches Einkommen stellen.

Im Falle des Verkaufs der eigenen Praxis wird beispielsweise meist die Hälfte der Kirchensteuer auf den Veräußerungsgewinn erlassen.

Auch hier müssen Sie selbst nichts veranlassen. Wir kümmern uns für unsere Mandanten um den Erlassantrag.

Wer bezahlt den Löwenanteil der Kirchensteuer?

Klar, die jeweiligen Mitglieder der katholischen oder evangelischen Kirche.

Schon seit den Zeiten der Weimarer Republik ist geregelt, dass der Staat sich um den Einzug der Steuer kümmert.

Für Arbeitnehmer hält der Arbeitgeber also auch die Kirchensteuer ein und zahlt diese ans Finanzamt.

Selbständige zahlen ihre Kirchensteuer über die Einkommensteuererklärung – ebenfalls ans Finanzamt.

Warum jeder Steuerzahler auch zur Kirchenfinanzierung beiträgt

Vor über 200 Jahren ging es in Europa drunter und drüber.

Der kleine, große Napoleon gewann fünf von sechs Koalitionskriegen gegen Allianzen des restlichen Europas.

An den zahlreichen Niederlagen konnte auch die Beteiligung von Goethe auf deutscher Seite nichts ändern.

Jedenfalls zwang Frankreich den deutschen Kaiser Franz II. zum Frieden von Lunéville im Jahr 1801.

Frankreich wurden hierbei offiziell alle linksrheinischen Gebiete zugeschlagen.

In Köln erinnert bis heute vieles an diese Epoche

Die linksrheinischen deutschen Fürsten waren nicht wirklich glücklich über den Verlust ihres Vermögens und es wurde nach Möglichkeiten der Entschädigungen gesucht.

Frankreich hatte im Rahmen der Revolution bereits die Trennung von Kirche und Staat vorgelebt.

Das machte man sich zum Vorbild und entschädigte die enteigneten Fürsten mit rechtsrheinischen Kirchengut.

Die Rolle der Kirchen wurde gleichzeitig neu definiert.

Alle waren wieder happy.

Na ja, die Kirchen vielleicht nicht …

Der Frieden von Lunéville hat Auswirkungen bis heute

Auch die Kirchen erhielten Entschädigungszahlungen, die so genannten Staatsleistungen.

Diese wurden in der Verfassung der Weimarer Verfassung verankert und schließlich auch in das Grundgesetz übernommen.

Inzwischen erhalten die Kirchen aus diesem Topf jährlich über 600 Millionen Euro.

Diese Zahlungen stellen keinen Kaufpreis für das entgangene Vermögen dar, sondern sollen die entgangenen Gewinne der Kirchen kompensieren.

Eine Art Miete also.

Gescheiterte Reform

Nach über 220 Jahren Staatsleistungen wurde im Jahr 2021 durch einen Gesetzesentwurf der FDP, der Grünen und der Linke versucht, dieses Relikt abzuschaffen und die Kirchen endgültig abzufinden.

Angedacht war, dass man die jährliche Zahlung mit dem Faktor 18,6 multipliziert und diese Abfindung in Höhe von ca. 13 Milliarden Euro den Kirchen als finale Abfindung zahlt.

Das Gesetz passierte nicht den Bundestag, da die entsprechenden Mittel in den Haushalten fehlten.

13 Milliarden?

Das wäre für Herrn Scholz in heutigen Zeiten kein Doppel-Wumms. Nicht mal ein Wumms.

Vielleicht ein „Peng“.

Nichtsdestotrotz sieht es nicht danach aus, dass dieses Thema in den nächsten Jahren noch einmal angefasst wird.

Für die Kirchen spielen die Staatsleistungen bei der Finanzierung ihrer Haushalte übrigens auch keine zentrale Rolle.

Man zeigte sich in der Vergangenheit hier gesprächsbereit für Lösungen.

Zahlen wir also weiter.

Kirchensteuer – das Fazit

Ob man Mitglied in einer Kirche sein möchte, ist eine höchst persönliche Entscheidung, die sicherlich nicht nur an der Frage der Kirchensteuer hängt.

Wer in Deutschland Mitglied der beiden größten Konfessionen ist, sollte die steuerlichen Spielregeln kennen.

Unabhängig von der Konfession beteiligt sich aber in Deutschland letztlich jeder Steuerzahler – etwas – an der Finanzierung der Kirchen.

Napoleon wird es nicht mehr kümmern …

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  • Hillen Mrz 22, 2023 @ 9:51

    Kompaktes Wissen humorvoll verpackt- klasse geschrieben. Ein Newsletter, den ich gerne lese- und ich freue mich jedesmal schon am Anfang auf den pointierten Schlusssatz!

    • Jens Hellmann Mrz 22, 2023 @ 16:01

      Das ist aber ein nettes Lob! Vielen vielen Dank!

  • Marc Roshan Khan Mrz 22, 2023 @ 11:17

    Toller Beitrag, unterhaltsam geschrieben und wieder viele Dinge (nicht nur steuerlich sondern auch historisch) gerlernt, die ich vorher so nicht wusste. Top, danke dafür und gerne weiter so …

    • Jens Hellmann Mrz 22, 2023 @ 16:01

      Vielen Dank für diesen lieben Kommentar!