Was haben Ärzte mit Steuerberatern gemeinsam? Und mit Rechtsanwälten, Architekten, Journalisten und Wirtschaftsprüfern?
Die Antwort lautet: Alle genannten Berufsgruppen sind Freiberufler.
Wer ein Freiberufler ist, regelt verbindlich das Einkommensteuergesetz.
Ein wesentlicher Unterschied in der steuerlichen Behandlung – im Vergleich mit Gewerbetreibenden – ist dieser:
Freiberufler zahlen keine Gewerbesteuer
Warum eigentlich nicht?
Die Antwort ist: Wir Freiberufler machen nichts kaputt.
Klingt merkwürdig? Stimmt, das ist aber der Grund.
Die Gewerbesteuer erhält die jeweilige Gemeinde. Und die Gemeinde muss ihre Infrastruktur in Schuss halten.
Gewerbebetriebe zahlen Gewerbesteuer für die Inanspruchnahme der Infrastruktur
Freiberufler arbeiten typischerweise mit dem Kopf. Zahnärzte zumindest mal am Kopf …
Wir fahren nicht mit dicken Brummis durch die Stadt, verpesten alles und zerstören die Straßen.
Wir arbeiten quasi klimaneutral. Vom Porsche mal abgesehen …
Daher zahlen wir keine Gewerbesteuer. Kein Witz.
Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in 2008 noch einmal bestätigt.
Müssen sich Freiberufler um die Gewerbesteuer keine Gedanken machen?
Leider doch.
Denn die Gewerbesteuer ist tückisch. Sie trifft einen unvorbereitet.
Schauen wir zunächst einmal – für diesen Blog ungewöhnlich – einmal in den Gesetzestext.
Dort steht in §18 des Einkommensteuergesetzes verkürzt:
„Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehört die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte und Zahnärzte.“
Auf die Tätigkeit des Arztes kommt es an
Aha. Es geht also um die Tätigkeit.
Nicht um den Status.
Betreibt ein Arzt also eine Diskothek, dann zahlt er hierfür Gewerbesteuer.
Wenn Sie sich gerade entspannt zurück legen, weil Sie ohnehin nie geplant haben den coolsten Club in Düsseldorf zu eröffnen, dann muss ich Sie leider enttäuschen.
Die Gewerbesteuer droht auch in Ihrer Praxis
Und zwar, wenn Sie die „Tätigkeit Arzt“ in Ihrer Praxis verlassen oder überschreiten.
Sobald Sie nicht mehr der heilende oder behandelnde Arzt sind, der sein Geld aus dem engen Vertrauensverhältnis zu seinem Patienten und unmittelbar aus der Behandlung verdient, wird es kritisch.
Gewerbesteuerrisiken aus der Tätigkeit in der Praxis
Wenn also beispielsweise der Augenarzt – wie ein Optiker – Kontaktlinsen verkauft, droht Gewerbesteuer.
Oder wenn der Zahnarzt – wie ein Drogeriemarkt – Zahnbürsten an den Patienten bringt.
Oder wenn der Arzt einen Getränkeautomaten in das Wartezimmer stellt und hiermit einige Euros hinzu verdient.
Problematisch wird es beispielsweise auch, wenn Sie Ihre Praxis oder Teile davon an Kollegen vermieten.
Zumindest dann, wenn Sie neben der reinen Raumvermietung auch andere Serviceleistungen übernehmen.
Beispielsweise Terminvereinbarung, Reinigungs-/Infektionsdienste, Wartung der überlassenen Geräte, Werbung, etc..
Von solchen Problemfällen haben Sie vielleicht auch schon mal gehört.
Aber wussten Sie, dass auch die Anstellung von Kollegen zur Gefahr werden kann?
Gewerbesteuerrisiken durch die Anstellung ärztlicher Kollegen
Gewerbesteuerfrei ist ein Arzt nur, wenn er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.
So schreibt es das Einkommensteuergesetz vor.
Die Beschäftigung eines angestellten Arztes kann unter diesen Voraussetzungen zum Problem werden.
Und zwar dann, wenn Sie die angestellten Kollegen faktisch nicht leiten können (beispielsweise bei der Anstellung eines fachfremden Kollegen) oder wenn Sie nicht eigenverantwortlich genug arbeiten.
Damit ist gemeint, dass Sie der Arbeit an nahezu jedem Patienten Ihren Stempel aufdrücken. Durch Patientenkontakt, Anweisungen und Kontrolle.
Da die Steuergesetze sich wenig konkret damit auseinander setzen, wie denn nun die Tätigkeit des Praxisinhabers genau auszusehen hat, landen solche Fälle auch immer wieder vor den Finanzgerichten.
Sehen wir uns einige wichtige Urteile zu diesem Thema einmal an:
Beispielsfall des angestellten Zahnarztes in der Einzelpraxis
Das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt beschäftigte sich in seinem Urteil vom 24.08.2006 mit einem niedergelassenen Zahnarzt, der einen weiteren approbierten Zahnarzt in seinen eigenen Praxisräumen beschäftigt hatte.
Der angestellte Zahnarzt durfte die Patienten selbst untersuchen, Befunde erheben, Heil- und Kostenpläne erstellen, abzeichnen und die Patienten entsprechend behandeln.
Die Behandlungen führte der Angestellte völlig selbständig durch.
Der Praxisinhaber kontrollierte lediglich die Befunderhebung und die Behandlung in einzelnen, schwierigeren Fällen.
Er kontrollierte jedoch nicht in jedem Einzelfall die Entscheidung über die Befunderhebung und die Behandlung.
Das Finanzamt meinte: „Zu wenig Kontrolle des Angestellten, also Gewerbesteuer bitte.“
Stattdessen hielt es das Gericht für ausreichend, dass der selbständige Arzt lediglich das Ergebnis der Behandlung zur Kenntnis nimmt und stichprobenartige Kontrollen durchführt.
Es wurde von dem Praxisinhaber nicht verlangt, dass er alle Tätigkeiten seines Personals verfolgt und begleitet.
Das Finanzgericht erläuterte, dass die Anforderungen an die Eigenverantwortlichkeit im Wesentlichen an das Berufsbild des Arztes geknüpft sind.
Dies bedeutet, dass im Bewusstsein des Patienten eine bestimmte Praxis einem bestimmten Arzt zugeordnet sein muss.
Der Patient muss den Praxisinhaber als eigentlichen Ansprechpartner sehen, der für die medizinische Betreuung immer zur Verfügung steht und hierfür auch die Verantwortung trägt.
Der angestellte Arzt soll in den Augen des Patienten lediglich als Helfer angesehen werden.
Wenn die Praxis zu groß ist, kann eine enge Bindung zwischen dem Praxisinhaber und den Patienten nicht mehr gewährleistet werden.
Wenn das Vertrauensverhältnis auf den angestellten Arzt übergeht, kann demnach nicht von einer Eigenverantwortlichkeit des selbständigen Arztes ausgegangen werden.
In diesem Fall bestand nach Meinung des Finanzgerichts das Vertrauensverhältnis der Patienten zum Chef der Praxis.
Daher: Keine Gewerbesteuer.
Gewerbesteuer musste aber im nachfolgenden Fall gezahlt werden:
Massenmedizin führt zur Gewerbesteuer
Das Finanzgericht Köln hat mit Urteil vom 11.09.2007 entschieden, dass ein Laborarzt, der mit Angestellten arbeitet, gewerblich wird, wenn er nicht eigenverantwortlich die Angestellten überwacht.
In diesem Fall bearbeiteten der Praxisinhaber sowie dessen angestellter Arzt jeden Tag bis zu 500 Befunde.
Da dem Praxisinhaber vom Finanzgericht nicht zugetraut wurde diese Masse an Befunden zu kontrollieren, führte dies letztendlich zur Gewerbesteuerpflicht.
Enge – dokumentierte – Kontrolle vermeidet Gewerbesteuer
Auch das oberste Steuergericht, der Bundesfinanzhof, musste sich in einem jüngeren Urteil mit der Frage der Gewerblichkeit durch angestellte Ärzte beschäftigen.
In dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.07.2014 wurde klargestellt, dass selbständige Ärzte ihren Beruf grundsätzlich auch gewerbesteuerfrei ausüben können, wenn sie angestellte Ärzte beschäftigen.
Hier ging es um eine Berufsausübungsgemeinschaft für Anästhesie.
In dieser wurden angestellte Anästhesisten beschäftigt.
Die Chefs legten wöchentlich im Voraus fest, welcher Anästhesist bei welchem Operateur tätig werden soll.
Einer der Chefs führte die Voruntersuchungen bei den Patienten durch und schlug eine Behandlungsmethode vor.
Die eigentliche Anästhesie führte dann ein angestellter Arzt aus.
In „problematischen Fällen“ wurde die Anästhesie durch einen der Gesellschafter durchgeführt.
Dafür reicht es aber aus, dass er aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrollen Einfluss auf die Tätigkeit seiner Angestellten nimmt, so dass jede Patientenbehandlung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Chefs trägt.
Führt der Chef regelmäßig die Voruntersuchungen bei den Patienten durch, legt er die Behandlungsmethoden fest und behält er sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vor, ist regelmäßig von einer freiberuflichen Tätigkeit auszugehen – trotz Beschäftigung angestellter Ärzte.
Fazit bei angestellten Ärzten
Angestellte Ärzte führen zu einem Gewerbesteuerrisiko.
Dieses kann man nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur dann mit Sicherheit ausschließen, wenn man sich an der Untersuchung nahezu jedes Patienten beteiligt und die Überwachung der Behandlung durch den Angestellten überwacht.
Dies muss dann auch noch dokumentiert werden.
Vergleichsweise ungefährlich dürften die Fälle sein, in denen nur ein Praxisstandort existiert und der Angestellte an diesem Standort – neben dem Praxisinhaber – tätig wird.
Darüber hinaus wird es schon schwieriger.
Höchstproblematisch sind sicherlich die Fälle, in denen ein Angestellter eine Filialpraxis – nahezu ohne Überwachung – betreibt.
Oder die Anstellung von fachfremden Ärzten, da es dann – für deren Überwachung – an der eigenen fachlichen Kompetenz fehlt.
Gewerbesteuer durch Kooperationen
Wir sind noch nicht am Ende der Gewerbesteuerrisiken.
Diese können auch aus der Kooperation mit anderen Kollegen entstehen.
Gründen Sie beispielsweise eine standortübergreifende Gemeinschaftspraxis mit einer MVZ GmbH eines Kollegen, ist diese neue Gemeinschaftspraxis auch gewerblich.
Eine MVZ GmbH ist immer gewerblich tätig. Das liegt an der Rechtsform.
Tritt eine solche GmbH als Gesellschafter in eine neue Gesellschaft ein, führt dies zur „Infektion“.
Auch die Beteiligung einer Berufsausübungsgemeinschaft an einer gewerblich tätigen Apparategemeinschaft kann zu einer „Infektion“ führen.
Daher gilt bei geplanten Kooperationen immer: Beziehen Sie uns in Ihre Überlegungen mit ein.
Gewerbesteuer bei kosmetischen Leistungen?
Wie sieht es eigentlich mit dem plastischen Chirurgen aus, der mich aus kosmetischen Gründen endlich von einem Teil meines Körperfetts befreit?
Oder dem Zahnarzt der – ausnahmsweise – aus rein kosmetischen Gründen Veneers einsetzt?
Müssen diese (Zahn-)/Ärzte Gewerbesteuer zahlen?
Eine häufige Frage in unserer Kanzlei.
Klare Antwort: Nein.
Denn in diesen Fällen sind Sie ja noch immer als Arzt/Zahnarzt tätig.
Weder der Optiker noch der Drogeriemarkt können Ihren Job insoweit übernehmen.
Also kein Problem mit der Gewerbesteuer.
In solchen Fällen muss man aber an die Umsatzsteuer denken.
Denn von dieser sind ausschließlich Heilbehandlungen befreit.
Aber Gewerbesteuer zahlen Sie hier nicht.
Daher merken Sie sich:
Aber lange Rede kurzer Sinn, was bedeutet für den Arzt eigentlich die Gewerbesteuer konkret?
Welche Konsequenzen hat die Gewerbesteuer?
Es kommt darauf an.
Sind Sie in einer Einzelpraxis tätig?
Gewerbesteuer in der Einzelpraxis
In der Einzelpraxis gilt steuerlich die so genannte „Trennungstheorie“.
Kann man die gewerblichen Umsätze und Kosten in der Buchhaltung von den freiberuflichen trennen?
Wenn ja, ist alles fein.
Dann wird der gewerbliche Gewinn ermittelt und nur auf diesen wird Gewerbesteuer bezahlt.
Da es bei der Gewerbesteuer auch noch einen Freibetrag in Höhe von 24.500 EUR im Jahr gibt, gehen die meisten Einzelpraxen – auch bei kleineren gewerblichen Umsätzen – gewerbesteuerfrei aus.
Gemeiner ist die Gewerbesteuer bei Berufsausübungsgemeinschaften.
Die Gewerbesteuer in der Gemeinschaftspraxis
Hier kann es gefährlicher werden. Denn hier gilt nicht die Trennungs- sondern die Infektionstheorie.
Der Grundsatz lautet:
Der Bundesfinanzhof war zuletzt etwas kulanter und hat folgende Bagatellregel aufgestellt:
Häufig kann es sinnvoll sein, die gewerblichen Umsätze auf eine weitere neue Gesellschaft auszulagern.
Dann ist nur diese gewerblich tätig und die Berufsausübungsgemeinschaft bleibt von der Gewerbesteuer verschont.
Was kostet die Gewerbesteuer?
Die Höhe der Gewerbesteuer regelt die jeweilige Gemeinde.
Auf den ersten Blick sieht die Gewerbesteuer schrecklich teuer aus.
Sie kann beispielsweise etwa 15% des Gewinns betragen.
Aber ruhig Blut. Sie bekommen einen Großteil davon – wie eine Vorauszahlung – wieder auf die Einkommensteuerschuld angerechnet.
Allerdings ist die Gewerbesteuer nicht der einzige Nachteil.
Nachteil durch Bilanzierung
Sie müssen als Gewerbetreibender Ihre Gewinnermittlungsart umstellen.
Von der Einnahmeüberschussrechnung wechseln Sie dann auf die Bilanz.
In einer Bilanz gilt nicht mehr das Prinzip, dass Sie Einnahmen in dem Moment versteuern in welchem diese auf Ihrem Konto landen.
Sondern Sie versteuern Einnahmen immer in dem Jahr in welchem sie erwirtschaftet wurden.
Bei einem (Zahn-)Arzt werden dann also beispielsweise die Restzahlungen der K(Z)V für das dritte und vierte Quartal nicht mehr im Folgejahr versteuert sonder ein Jahr früher.
Auch das kostet erstmal Liquidität.
Das gleiche Prinzip gilt dann allerdings auch für Ausgaben.
Die Steuerberaterrechnung für den Jahresabschluss 2019 kann dann schon in 2019 abgesetzt werden – auch wenn sie diese erst in 2020 erhalten haben.
Unterm Strich bleibt aber hier fast immer aber ein Steuernachteil.
Gewerbesteuer für Freiberufler – das Fazit
Je größer die Praxis, desto eher Gewerbesteuer.
Insbesondere die Anstellung von Ärzten ist eine Steuergefahr.
Wenn Sie gewerbesteuerfrei unterwegs sein wollen, müssen Sie Ihre Angestellten eng überwachen und dies dokumentieren.
Und Sie brauchen dennoch die persönliche Patientenbindung.
Wenn Sie glauben, die Gewerbesteuer fürchten zu müssen, sprechen Sie uns an.
Wir unterstützen Sie gerne dabei, sich bestmöglich gegen diese Gefahr zu wappnen.
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Super geschriebener und informativer Artikel :-). Eine sehr gute Aufstellung. In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen 🙂
Lieber Herr Seidel, vielen Dank für das Lob und viele Grüße aus Düsseldorf!
Der Beitrag zum Thema Steuerberatung Ärzte ist sehr hilfreich. Ich wollte besser informiert sein, denn ich weiß sehr wenig darüber. Nachdem ich diesen Artikel gelesen habe, weiß ich genug über dieses Thema.