In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben sich meine Eltern ein Eigenheim geleistet – finanziert natürlich.
Zinssatz: 14 Prozent pro Jahr.
Aus heutiger Sicht unfassbar viel. Mein Vater blieb damals angesichts des Schuldenhaufens allerdings vergleichsweise gelassen.
Schließlich war er Lehrer. Diese Berufsgruppe zeichnet sich zum einen durch ein verlässliches Einkommen aus. Zum anderen dadurch, dass sie von allem(!) Ahnung hat.
Mein Vater sah sich also auf der Gewinnerstraße, denn nicht nur die Kreditzinsen bewegten sich zu jener Zeit in Schwindel erregenden Höhen.
Die Inflation tat es ebenfalls und langte mit rund 7 Prozent ganz ordentlich zu.
Die Idee meines Vaters: die Hälfte der Kredittilgung wird von der Inflation (= Geldentwertung) erledigt.
Ob er damit richtig lag, erfahren Sie in diesem Artikel.
Was ist Inflation?
Von Inflation spricht man, wenn das Geld an Kaufkraft verliert.
Wir kennen das alle.
Gefühlt hat sich seit der Schulzeit der Preis für alles, was man so kaufen kann, verdoppelt.
Nehmen wir zum Beispiel den Bierpreis: 1994 – kurz nach dem Abitur – kostete mich das Glas Altbier (das habe ich früher tatsächlich getrunken, aber ich wusste es eben noch nicht besser…) 1,80 DM.
Heute ruft der Köbes dafür gut und gerne 1,90 Euro auf.
Wenn sich das Verhältnis von Geldmenge zu Waren verschiebt, verändern sich eben die Preise.
Inflation an einem einfachen Beispiel
Wenn es auf der ganzen Welt nur 1.000 Euro gäbe und alles was man dafür kaufen könnte, wäre ein Glas Bier, dann läge der Preis für dieses eine Glas bei genau 1.000 Euro.
Für was sonst sollte man sein Geld sonst ausgeben?
Erinnert mich an einen Witz über das Paradies …
Eva zu Adam: „Adam, liebst Du mich?“ Adam zu Eva: „Wen sonst?“
Braute der Braumeister aber nun ein zweites Glas Bier, dann würde dessen Preis sinken.
Auf 500 Euro pro Glas.
Stiege hingegen die Geldmenge auf 2.000 Euro und bliebe es bei einem Glas Bier als einzige Ware der Welt, dann stiege dessen Preis tatsächlich auf 2.000 Euro.
Wie wird Inflation gemessen?
Um Inflation wirklich zu messen, müsste man streng genommen die Geldmenge der Welt regelmäßig allen Dingen gegenüber stellen, die man für dieses Geld kaufen kann.
Wäre wohl eine Menge Arbeit.
Daher lässt man das Zählen der Geldmenge einfach weg und misst nur die Preise. Und nicht die Preise für alles was man kaufen kann, sondern nur für ganz bestimmte Dinge:
Der Warenkorb
Das statistische Bundesamt stellt hierfür einen so genannten „Warenkorb“ zusammen.
In diesem Warenkorb stecken etwa 600 Güter und Dienstleistungen, die Otto-Normalverbraucher nach Meinung des Statistischen Bundesamtes benötigt.
Jeweils zur Monatsmitte schwärmen dann die Mitarbeiter der Statistikämter aus und vergleichen die Preise diese Warenkorbs mit den Preisen des Vormonats.
So wird hierzulande die Inflationsrate gemessen. Ist nicht wirklich exakt.
Die Vorgehensweise bedeutet auch, dass die Inflationsrate nur für denjenigen Bürger halbwegs exakt berechnet wäre, der genau diese 600 Waren und Dienstleistungen auch wirklich benötigt.
Oder anders gesagt:
[box-grau]Jeder hat eine andere individuelle Inflationsrate, die mit der veröffentlichen Inflationsrate selten überein stimmt.[/box-grau]Ihre persönliche Inflationsrate können Sie hier ermitteln.
Wie kann Inflation gesteuert werden?
Da Regierungen keine direkte Befehlsgewalt über die Preise sämtlicher Güter und Dienstleistungen haben, ist es gar nicht so einfach, die Inflationsrate zu steuern.
Über die Geldmenge lässt sich jedoch einiges erreichen.Dafür haben die Notenbanken ein wichtiges Werkzeug in der Hand: Den Leitzins.
Wird dieser angehoben, wird die Vergabe von Krediten teurer und damit unattraktiver. Die Geldmenge sinkt. Die Inflation sinkt.
Wird der Leitzins gesenkt, tritt der gegenteilige Effekt ein. Die Geldmenge steigt und damit auch die Inflation.
Soweit die Theorie. Dies klappt jedoch leider nicht immer wie gewünscht.
In Japan wird seit Jahrzehnten mit einer Nullzinspolitik versucht, die Inflationsrate auf 2 Prozent p.a. zu heben. Funktioniert aber nicht.
Alternativ können Regierungen versuchen, Einflüsse auf den Preis von Waren zu nehmen. Durch Steuern, wie zum Beispiel die Biersteuer. Oder Preisbindungen, wie zum Beispiel die Mietpreisbremse.
Gewinner und Verlierer von Inflation
Schauen wir uns an, wer von der Preissteigerung profitieren könnte (und wer nicht):
Gewinnt der Staat durch Inflation?
Der Staat kann sich über eine gewisse Inflationsrate freuen. Denn steigen die Preise, tun es auch die Steuereinnahmen.
Schon alleine die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer steigen so über die Jahre stetig. Und die Mehrwertsteuer ist neben der Lohnsteuer die wichtigste Einnahmequelle des Staates.
Erhöht man also den Angestellten Ihre Gehälter in Höhe der Inflationsrate, gewinnt der Staat gleich doppelt: durch eine höhere Progression bei der Einkommensteuer sowie durch Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer (auch Umsatzsteuer genannt).
Wie sieht es mit den Sparern aus?
Sparer schauen im Moment in die Röhre. Null Zinsen. Dafür aber Inflationsraten von um die 2 Prozent im Jahr.
Somit kann man Jahr für Jahr für sein hart erspartes Geld rund 2 Prozent weniger aus dem Warenkorb kaufen.
Was ist mit Investoren, die auf Sachwerte wie Immobilien und Aktien setzen?
Diese dürften bei einer hohen Inflationsrate tendenziell glimpflich davon kommen. Denn Sachwerte halten – häufig – ihren Wert.
Dies ist aber kein Naturgesetz.
Der Goldpreis macht manchmal was er will. Und auch eine Immobilieninvestition in der Eifel ist oft alles andere als wertbeständig.
Damit zurück zur Idee meines Vaters …
Was ist mit den Schuldnern?
Gewinnen diese tatsächlich durch Inflation, weil die Schulden sich verringern?
Stellen Sie sich vor, sie fahren heute zur Bank und leihen sich dort 100.000 Euro. Anschließend fahren Sie nach Aachen. Ins Casino.
Alles auf Rot. Rien ne va plus… Nichts geht mehr.
Die Kugel landet auf …schwarz.
Das Geld ist weg. Übrig bleiben die Schulden.
Können Sie sich nun entspannt zurücklegen, wie mein Vater es tat und den Schulden beim Schmelzen zusehen?
Nein.
Sie sind selbständig. Was passiert, wenn Ihre Gewinne in den nächsten zehn Jahren „lediglich“ stabil bleiben und Sie Ihr Einkommen nicht erhöhen können?
Bedenken Sie: Es bleiben weiterhin 100.000 Euro, die Sie der Bank für Ihren Casino-Trip zurückzahlen müssen.
Und die Tilgung für dieses Darlehen aufzubringen wird jedes Jahr schwerer. Schließlich ist das Bier und alles andere auch in der Zwischenzeit teurer geworden.
In diesem Szenario gewinnen Sie – durch Inflation – gar nichts. Im Gegenteil.
Denn nur wenn Sie Ihr Einkommen um den Betrag der Inflationsrate steigern können, wird Ihnen die Rückzahlung des Kredits Jahr für Jahr leichter fallen.
[box-grau]Merke: Inflation hilft dem Schuldner nicht, wenn er nicht sein Einkommen steigern kann.[/box-grau]Dazu kommt, dass die Bank Zinsen haben will. Für ein Darlehen zum Verballern im Casino zahlen Sie vermutlich um die 6 Prozent Zinsen. Bei aktuell 2 Prozent Inflationsrate.
Die Zinsen bleiben also trotz Inflation ein echter Kostenfaktor.
Nochmal zu den Zahlen meines Vaters: 7 Prozent Inflation, 14 Prozent Zinsen. Das war alles andere als ein lustiger „Schuldenverschwindetrick“.
Die Inflationsrate preist die Bank mit ein.
Die auf dem Papier vermeintlich niedrigen Zinssätze sind zum großen Teil der niedrigen Inflationsrate geschuldet. In Zeiten hoher Inflation dürften die Zinsen wieder steigen.
Was ist Inflation? Fazit zur Geldentwertung
Die Inflation frisst Ihre Schulden nicht. Zumindest dann nicht, wenn Sie Ihr Einkommen nicht um die Inflationsrate steigern können.
Der große Gewinner der Inflation ist in jedem Fall immer der Staat. Und davon profitiert dann vielleicht auch mal der eine oder andere Lehrer …
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Herrlich erklärt! Vielen Dank für diese amüsante Lektion!
Ich habe also gelernt, dass Herr Hellmann früher doch Altbier getrunken hat! LG
Aber heute weiß ich es ja besser! 😉
Wieder sehr nett und verständlich geschrieben 🙂 Das mit dem Bier und „…früher wusste ich es nicht besser…“Überlese ich wohlwollend!
LG
🙂
So macht auch die Lektüre eines (zumindest für einen Ingenieur) zunächst recht „trocken“ anmutenden Themas richtig Spaß! Sehr unterhaltsam und gut verständlich erklärt. Bin gespannt auf Ihre nächsten Newsletter!!! Herzliche Grüße, T.Theile
Vielen Dank Herr Theile! Dem Ingeniör ist doch angeblich nichts zu schwör!